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Sich im Leben bewegen lernen mit Feldenkrais Therapie

Die Feldenkrais Methode verbessert nachweislich die Beweglichkeit, also den aktiven und passiven Bewegungsumfang einzelner Körpersegmente und Gelenke. In diesem Artikel geht es aber um einen weiter gefassten Begriff von Beweglichkeit, nämlich um Geschicklichkeit und die damit verbundene Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen.

10.08.2023


© SFV Schweizerischer Feldenkrais Verband, Fotografie Sabine Burger

© unsplash

Bewegung fördert unsere kognitiven Fähigkeiten

Sport, sowie achtsame, bewusste Bewegungen verbessern nicht nur unsere Physis, sondern auch unsere kognitiven Fähigkeiten. Dies wurde durch eine Vielzahl von Autor*innen und Studien belegt. Insbesondere bei Kindern ist die Bewegungsentwicklung eng mit der kognitiven Entwicklung verwoben. Studien zeigen, dass die Förderung komplexer Bewegungsfertigkeiten bei präpubertären Kindern ihre kognitiven Fähigkeiten verbessern kann. Generell lässt sich sagen, dass Bewegung die Ausschüttung "guter" Chemikalien im Gehirn fördert, insbesondere des Wachstumshormons "BDNF", welches die Neubildung und Reparatur von Nervenzellen begünstigt. Bewegung fördert also die vielzitierte Neuroplastizität, welche die neuronale Grundlage von Veränderungsprozessen bildet.

Achtsamkeit und Erkundung von Möglichkeiten

Feldenkrais ist aber keine Methode zur Stärkung der Muskulatur oder der kardiovaskulären Ausdauer, sondern verbessert unter anderem die Koordination, sowie unsere Selbstwahrnehmung. Doch wie hängt dies nun mit einer Verbesserung der Geschicklichkeit und der Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen zusammen? Nikolai Bernstein, Pionier des motorischen Lernens, Begründer der modernen Bewegungswissenschaften und einer der wichtigsten Einflüsse für die Feldenkrais - Methode, schreibt, dass effektives sensomotorisches Training folgende Merkmale haben sollte: Einerseits muss die Anstrengung verringert werden und zudem braucht es eine grosse Variabilität an neuen Empfindungen. Dies führt mit der Zeit zu Geschicklichkeit, welche die Fähigkeit beschreibt, motorische Fähigkeiten in neuen Situationen anzuwenden. Beides sind zentrale Merkmale in der Feldenkrais-Therapie.

© SFV Schweizerischer Feldenkrais Verband

Fotografie Sabine Burger

"Intellektuell zu verstehen, dass eine neue Handlungsweise besser ist, ist nicht genug; Man muss durch die Wahrnehmung des eigenen Körpers spüren und fühlen, dass sie besser ist."

Moshe Feldenkrais

Ein besseres Verständnis für uns selbst

In Gruppen- und Einzelstunden werden neue, alternative Bewegungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten erkundet, anstatt Korrekturen vorzuschreiben. So werden mögliche Begrenzungen unserer gewohnten Handlungsweisen erweitert. Durch ein achtsames Erkunden mit geringer Anstrengung lernt man zudem, immer feiner zwischen angenehmen und weniger angenehmen Bewegungsweisen zu differenzieren. Diese Fähigkeit, auf die eigenen Empfindungen zu hören, bildet die Grundlage dafür, dass wir ein besseres Verständnis für uns selbst in verschiedenen Kontexten bekommen. Sie führt so zu einer besseren Kontrolle über unser Leben. Konkret bedeutet dies, dass wir durch eine bessere Selbstwahrnehmung zum Beispiel ein Bewusstsein dafür entwickeln können, wie der Einsatz unserer Stimme beim Gegenüber ankommt. Wir lernen zu unterscheiden, in welchen Fällen es angebracht sein mag, der eigenen Stimme Nachdruck zu verleihen, oder sanft und bedacht zu sprechen. Nur wenn uns auffällt, was die verschiedenen Sprecharten für Reaktionen hervorrufen, können wir bewusst unsere Stimmlage verändern, wenn dies der Kontext von uns erfordert. Die Feldenkrais Methode schafft die Grundlage für eine differenzierte Selbstwahrnehmung und Bewegungsweise, welche wiederum die Grundlage für eine bessere Anpassungsfähigkeit bildet. Anpassungsfähigkeit bedeutet schliesslich, eine passende Lösung für eine aktuelle Situation zur Verfügung zu haben.

Selbstregulation und Genesungskompetenz

Wir lernen mit der Zeit, unsere gewohnten Handlungsweisen und die Wahrnehmung von uns selbst und unserer Umwelt zu erweitern. Mehr und mehr handeln wir nach unseren Bedürfnissen und Zielen im Leben. Dies auch in Situationen, die uns bis anhin überfordert haben und bezüglich derer wir keine zufriedenstellenden Reaktionen entwickeln konnten. Norbert Klinkenberg umschreibt die Feldenkrais Methode in seinem Buch deswegen auch als "Körperverhaltenstherapie" mit Modellcharakter.

Die Feldenkrais -Therapie fördert und verbessert auf die hier dargelegte Weise die Geschicklichkeit und Anpassungsfähigkeit. Dies wirkt sich förderlich auf die Ziele der KomplementärTherapie aus, nämlich die Stärkung der Selbstregulation, der Genesungskompetenz und der Selbstwahrnehmung. Wir lernen, uns im Leben, mit all seinen Facetten, besser zu bewegen.

Video: Wie beeinflusst die Feldenkrais Methode die Psyche?

Autor:

Nicola Zollinger, Feldenkrais-Therapeut, Zürich, Vorstandsmitglied Schweizerischer Feldenkrais Verband

SFV Schweizerischer Feldenkrais Verband, www.feldenkrais.ch

Literatur:

Bernstein, N. A. (2014). Dexterity and its development. Psychology Press.

Feldenkrais, M., & Wurm, F. (1992). Das starke Selbst: Anleitung zur Spontaneität. Suhrkamp.

Gomutbutra, P., Yingchankul, N., Chattipakorn, N., Chattipakorn, S., & Srisurapanont, M. (2020). The effect of mindfulness-based intervention on brain-derived neurotrophic factor (BDNF): a systematic review and meta-analysis of controlled trials. Frontiers in psychology, 11, 2209.

Klinkenberg, N. (2000). Feldenkrais-Pädagogik und Körperverhaltenstherapie. Pfeiffer bei Klett-Cotta.

Stephens, J., & Hillier, S. (2020). Evidence for the effectiveness of the Feldenkrais method. Kinesiology Review, 9(3), 228-235.

Van der Fels, I. M., Te Wierike, S. C., Hartman, E., Elferink-Gemser, M. T., Smith, J., & Visscher, C. (2015). The relationship between motor skills and cognitive skills in 4–16 year old typically developing children: A systematic review. Journal of science and medicine in sport, 18(6), 697-703.


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