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Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Die Pubertät ist eine Zeit tiefgreifender Veränderungen – körperlich, emotional und sozial. KomplementärTherapie bietet Jugendlichen einen geschützten Raum, um innere Sicherheit zu entwickeln, ihre Selbstwahrnehmung zu stärken und im eigenen Tempo zu wachsen.

23.06.2025



Jugendliche liegen im Kreis auf dem Rasen und lächeln in die Kamera

© Adobe Stock

Die Pubertät gilt heute als eine der herausforderndsten Entwicklungsphasen. Neurobiologisch ist sie geprägt durch intensive Umbauprozesse im Gehirn, erhöhte emotionale Reaktionsbereitschaft sowie den tiefen Wunsch nach Zugehörigkeit und Identität (vgl. Laurence Steinberg, 2014).

In der Arbeit mit Jugendlichen ist es wichtig, die besonderen Herausforderungen dieser Entwicklungsphase aufmerksam zu begleiten. Neurobiologisch ist diese Phase geprägt von noch nicht abgeschlossenen Reifungsprozessen, die sich in Impulsivität, Rückzug oder wechselnder Motivation zeigen können. Zentral ist daher eine therapeutische Haltung, die mit Geduld, Klarheit und Interesse einen sicheren Rahmen schafft. Erst wenn Jugendliche sich sicher fühlen, können Vertrauen, Selbstwahrnehmung und Ausdrucksfähigkeit Schritt für Schritt wachsen.

Atemtherapie bei Jugendlichen

In der ganzheitlich-integrativen Atemtherapie, steht nicht nur der Atem im Zentrum, sondern der Mensch in seiner Gesamtheit - mit seinem Körpererleben, seinen Empfindungen und seinen Ressourcen. Gerade Jugendlichen eröffnet sich hier ein Zugang zu sich selbst, der frei von Leistungsdruck ist und sie dabei ermutigt, sich im eigenen Tempo zu entfalten.


Jungendlicher vor blauem Hintergrund mit Illustration von Pfeilen auf seinen Kopf

© Adobe Stock

Zwischen Reizüberflutung und Rückzug

Die Kräfte wirken oft in entgegengesetzte Richtungen: erste Schritte in die Welt hinaus, während gleichzeitig ein inneres Hineinwachsen in den Körper stattfindet – begleitet von intensiven Emotionen. Mal überwiegt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, mal der Rückzug – ob gewollt oder ungewollt. Kindlich geprägte Bindungsdynamiken und das Ringen um Autonomie gehen oft Hand in Hand.

Diese spannende Zeit kann aber auch von Symptomen wie Erschöpfung, innerer Unruhe, depressiven Verstimmungen oder psychosomatischen Leiden begleitet sein. Faktoren wie schulischer Druck, Unsicherheiten bei der Berufswahl, soziale Vergleiche, erste romantische und intime Erfahrungen sowie familiäre Spannungen können solche Symptome verstärken.

Polyvagal-Theorie

In der Arbeit mit Jugendlichen ist es hilfreich zu verstehen, wie unterschiedlich sie die Welt wahrnehmen und wie ihr Nervensystem auf Stress, Überforderung oder Unsicherheit reagieren kann. Die Polyvagal-Theorie bietet hier einen wertvollen Erklärungsansatz: Unser Nervensystem reagiert automatisch auf das, was wir als sicher oder bedrohlich wahrnehmen – beispielsweise mit Verbundenheit, Kampf, Flucht oder Erstarrung. Diese Reaktionen beeinflussen unser Verhalten, unsere Atmung und unser inneres Erleben. Der sogenannte „Freeze“-Zustand zum Beispiel, ist von aussen kaum sichtbar. Innerlich wird er jedoch als eine komplette Lähmung erlebt, als gäbe es keinen Handlungsspielraum mehr. Als regulierende Begleitung kann Atemtherapie hier stabilisierend, stärkend und haltgebend wirken.

Vertrauen braucht Zeit

Im Zentrum der Arbeit steht der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung, sowie das Kennenlernen der Jugendlichen mit ihrer Sprache, ihren Themen und ihrem Tempo. Manchmal braucht es auch Zeit, bis Worte für inneres Erleben gefunden werden: Wie geht es mir wirklich? Was ist mir wichtig? Was macht mir Freude? Was gelingt mir gut? Womit habe ich Schwierigkeiten?

Zu Beginn zeigen sich viele Jugendliche eher zurückhaltend – besonders, wenn es um Körperarbeit geht. Doch sobald sie erste Übungen ausprobieren und deren Wirkung spüren, entsteht oft Neugier, manchmal sogar echte Begeisterung. Manche wollen kritisch prüfen, ob etwas wirklich zu ihnen passt, andere nehmen neue Impulse schnell auf. Beide Haltungen haben ihren Platz. Die gemeinsame Arbeit geschieht achtsam und ermutigend.

Selbstwahrnehmung als Schlüssel

Atem, Berührung, Bewegung, Gespräche, die Arbeit an Grenzen sowie an der Körperhaltung unterstützen Jugendliche darin, sich selbst besser zu spüren, ihre Gefühle zu benennen und ihre Gedanken zu ordnen. Je nach Situation ist auch Atemmassage Teil der Therapie – sie kann helfen, tiefsitzende Verspannungen zu lösen und den Atemfluss zu fördern. Entscheidend ist nicht ein fester Ablauf, sondern die Frage: Was tut genau diesem Menschen jetzt gut? Was erreicht ihn?

Innere Stärke und Selbstvertrauen entstehen, wenn junge Menschen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse (Motivationen, Interessen, Grenzen) zu erkennen und diese von äusseren Erwartungen zu unterscheiden. Diese Fähigkeit zur Unterscheidung ist essenziell, um sich im Leben zu orientieren. Daraus erwachsen Ausdruckskraft, Klarheit und Stabilität - die Basis, um sich im familiären, schulischen oder sozialen Umfeld verständlich und selbstbewusst einzubringen und sich mitzuteilen.

Junge Frau im Kontakt mit Therapeutin, Atem, Haltung

© Adobe Stock

Raum lassen – Wurzeln stärken

Wir Erwachsenen vergessen manchmal, wie es war, in diesem Alter zu leben. Die Arbeit mit Jugendlichen erinnert mich immer wieder daran – sie erfordert Präsenz, Mitgefühl und Achtsamkeit. Die KomplementärTherapie bietet einen klaren Rahmen und zugleich den Freiraum, sich selbst zu begegnen und auf individuelle Weise zu (er-)wachsen. Es ist eine Reise zu mehr innerer Ruhe, Kraft und Stimme – und sie geschieht im eigenen Rhythmus. Denn: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Wenn der Boden jedoch gut bereitet ist, können die Wurzeln stark werden und Raum für Wachstum schaffen – ganz von selbst.

Autorin:

Katerina Gnehm, KomplementärTherapeutin mit Branchenzertifikat Methode Atemtherapie, Zürich

Mitglied im Atemfachverband Schweiz, www.atem-schweiz.ch


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